Torn apart and living in uncertainty

Families who were separated during their escape cannot be denied the right to live together any longer

Two new video clips by Moving Europe and Medico International

“My daughter calls me uncle and does not want to speak to me any longer”, says Ahmed and struggles to hold back his tears. The Syrian has been separated from his wife and two-year-old daughter for a year and two months. By now, the daughter does not even know anymore that Ahmed is her father, that she even has a father. Although Ahmed is now safe in Germany, waiting for his family and the estrangement of his little daughter who still waits with her mother in Greece for the realisation of family reunification, distresses him.

Ten-year old Tasnim came to Germany a year ago with her uncle. Her mother Amani is also still in Greece. They escaped the Syrian war together but when crossing over from Turkey to Greece, they lost one another. While it would only take a few hours on a plane, they cannot reunite. The separation pains them and they can hardly bear this state of uncertainty, not knowing when they will see each other again.

Endless bureaucracy

Similar to the fates of these two families are those of about 60,000 refugees who are currently stuck in Greece.* In many cases, a relative resides already in Germany or in other EU member states, but those still in Greece are denied the right of family reunification. One keeps them waiting or overwhelms them with bureaucratic requests that can hardly be fulfilled. Simply the initial registration in Greece, which is required for any further requests, can take months. Several months can then pass until one is granted an appointment at the German embassy in Athens, in order to claim family reunification. At this stage, if documents such as a birth or marriage certificate are lacking, which is often the case since many documents go missing during the escape, the end of the process is hardly conceivable. But even if all documents are presented and family reunification is claimed correctly, those concerned do not know if and when their claims will be accepted and when they can finally reunite with their loved ones.

This situation and its brutal consequences are clearly politically wanted. The enormous waiting times function as a deterrent. Families are being destroyed, and some consider returning together to a war-torn country which they had fled – dying together rather than living apart. For minors, the situation is particularly difficult. They have experienced war, violence and loss way too early in their lives. To deny them the right to live with their closest family members is re-traumatising.

Apart from this strategy of endless waiting, which many refugees are subjected to, the German embassy in Athens as well as the embassies in Beirut and Ankara have hardened their stance in terms of family reunification. What were previously considered cases of ‘exceptional hardship’, so that family reunifications were granted, now become reasons for rejection: While parents are allowed to move to their children who are minors once their asylum claims have finally been accepted, siblings who are minors are denied the same right. This means that parents of several children have to face an impossible decision (Pro Asyl, 9.11.2016).

The so-called ‘subsidiary protection’

With the asylum package II and due to the fact that the granting of full refugee protection becomes increasingly rare, family reunification is made even more difficult. Amongst those concerned are also people who fled the war in Syria. Only about seventy percent of Syrian refugees receive the so-called ‘subsidiary protection’. This means that they do not have the right to claim family reunification for the next two years. What comes after that period of time is completely uncertain (Pro Asyl, 29.9.2016).

People who were supposed to move legally from Greece or Turkey to Germany in the framework of family reunification are now forced to seek out illegalised and dangerous escape routes, in order to re-unite with their relatives.

These different measures empty out what was a nationally and internationally established right: the specific protection of the family following the German Constitution and the European Convention on Human Rights, as well as the right of children and parents to family life following the UN Convention on the Rights of the Child.

These restrictions and their intended consequences are part of EU-wide deterrence strategies. With all possible means and violence, they attempt to reduce refugee movements to Europe. They need to be contested and resisted: Toward an open Europe, for the right to come and stay, for equal rights for all.


  • Despite all uncertainty, both of these families from the videos have been ‘fortunate’. They found shelter in the City Plaza Hotel in Athens, which has been occupied since April 2016, and thus they do not have to remain for months in one of the inhumane Greek refugee camps.

:::::

[DT]

Zerrissen und im Ungewissen

Familien, die auf der Flucht getrennt wurden, darf das Recht auf Zusammenleben nicht länger verwehrt werden

Zwei neue Filmclips von Moving Europe und Medico International

„Meine Tochter nennt mich Onkel und will nicht mehr mit mir sprechen“, berichtet Ahmed und schafft es nur mit Mühe, die Tränen zurückzuhalten. Seit einem Jahr und zwei Monaten ist der Syrer von seiner Frau und seiner zweijährigen Tochter getrennt. Inzwischen weiß die Kleine nicht mehr, dass Ahmed ihr Vater ist, dass sie überhaupt einen Vater hat. Zwar ist Ahmed in Deutschland in Sicherheit, doch das Warten auf seine Familie und die zunehmende Entfremdung von seiner kleinen Tochter, die gemeinsam mit der Mutter in Griechenland auf Familienzusammenführung wartet, zermürbt ihn.

Die zehnjährige Tasnim ist vor einem Jahr mit ihrem Onkel nach Deutschland gekommen. Ihre Mutter Amani ist ebenfalls noch in Griechenland. Zusammen sind auch sie vor dem Krieg in Syrien geflohen. Bei der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland hatten sie sich verloren. Nun sind sie nur wenige Flugstunden voneinander entfernt, können aber nicht zusammenkommen. Der Trennungsschmerz der beiden ist groß und die Ungewissheit, wann und ob überhaupt sie sich wiedersehen werden, kaum auszuhalten.

Endlose Bürokratie

So wie diesen beiden Familien geht es vielen der rund 60.000 Flüchtlinge, die momentan in Griechenland festsitzen.* Oft ist ein Familienmitglied bereits in Deutschland oder anderen Ländern Europas, aber den in Griechenland verbliebenen Angehörigen wird das Recht auf Familienzusammenführung vorenthalten. Einfach indem man sie warten lässt oder mit schwer erfüllbaren bürokratischen Anforderungen überhäuft. Allein die für alle weiteren Anträge erforderliche Registrierung in Griechenland kann Monate dauern. Weitere Monate können vergehen, bis man einen Termin bei der deutschen Botschaft in Athen bekommt, um einen Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen. Wenn dann noch die Geburts- oder Heiratsurkunde fehlt, weil viele Dokumente auf der Flucht verlorengehen, ist ein Ende der Wartezeit kaum absehbar. Aber selbst wenn alle Dokumente vorliegen und der Antrag ordnungsgemäß eingereicht wurde, wissen die Betroffenen nicht, ob und wann ihrem Antrag stattgegeben wird und sie wieder mit ihren Liebsten zusammenkommen.

Diese Situation und ihre brutalen Auswirkungen sind offenbar politisch gewollt. Allein durch die enormen Wartezeiten werden Fakten geschaffen. Familien werden zerstört oder denken über eine gemeinsame Rückkehr in die Kriegsgebiete nach, aus denen sie kommen. Lieber zusammen sterben, als getrennt leben. Für Minderjährige ist die Situation besonders schwer. Sie haben Krieg und Gewalt erlebt und viel zu früh große Verlusterfahrungen gemacht. Ihnen das Zusammenleben mit ihren nächsten Angehörigen zu verweigern, wirkt retraumatisierend.

Abgesehen von der Taktik des Hinhaltens, der viele Flüchtlinge ausgeliefert sind, haben nicht nur die deutsche Botschaft in Athen, sondern auch die Botschaften in Beirut oder Ankara ihren Kurs in Sachen Familienzusammenführung verschärft. Was zuvor als „außergewöhnliche Härte“ galt und im Sinne der Familien entschieden wurde, wird nun zum Ablehnungsgrund. So dürfen Eltern zwar zu ihren anerkannten minderjährigen Kindern ziehen (wenn denn ihr Antrag irgendwann bewilligt wurde), minderjährigen Geschwistern wird dies jedoch zunehmend verweigert, was Eltern mehrerer Kinder vor unzumutbare Entscheidungen stellt. (Pro Asyl vom 9.11.2016)

Nur noch subsidiärer Schutz

Mit dem Asylpaket II und der immer selteneren Gewährung des vollen Flüchtlingsschutzes wird der Familiennachzug zusätzlich erschwert. Das betrifft auch Menschen, die aus Syrien geflohen sind. So bekommen etwa siebzig Prozent von ihnen nur noch den so genannten „subsidiären Schutz“. Das bedeutet, dass sie für die nächsten zwei Jahre keinen Anspruch auf Familienzusammenführung haben. Was danach sein wird, ist vollkommen ungewiss. (Pro Asyl vom 29.9.2016)

Menschen, die im Zuge des Familiennachzugs aus Griechenland oder der Türkei eigentlich ganz legal nach Deutschland einreisen sollten, werden durch diese Praktiken gezwungen, illegalisierte und gefährliche Fluchtrouten in Kauf zu nehmen, um zu ihren Angehörigen zu kommen.

Mit verschiedenen Maßnahmen wird also nach und nach ausgehöhlt, was national oder international verbrieftes Recht ist: Der besondere Schutz der Familie nach dem deutschen Grundgesetz und der europäischen Menschenrechtskonvention ebenso wie das Recht auf Zusammenleben von Kindern und Eltern laut UN-Kinderrechtskonvention.

Diese Restriktionen und ihre beabsichtigten Konsequenzen sind Teil einer EU-weiten Abschreckungspolitik. Mit aller Gewalt wird versucht, die Fluchtbewegungen nach Europa wieder einzudämmen bzw. sie außen vor zu halten. Dem gilt es zu widersprechen und sich zu widersetzen: für ein offenes Europa, für das Recht zu kommen und zu bleiben, für gleiche Rechte für Alle.


  • Bei aller Ungewissheit haben die beiden Familien in den Filmclips noch „Glück“ gehabt. Sie haben eine Bleibe in dem seit April 2016 besetzten City Plaza Hotel in Athen gefunden und müssen daher nicht monatelang in einem der menschenunwürdigen griechischen Lager ausharren.